Snap, Snap, hurra!

In den 1990-er Jahren war es en vogue, auf die Bild-Zeitung zu schimpfen, ohne sie zu lesen. „Die BILD lesen? Ich? Niemals“, lautete eine verbreitete Antwort, obwohl sich die Zeitung täglich millionenfach verkaufte. Klar, muss man ein Produkt nicht dauerhaft beziehen, um es kritisieren zu dürfen. Aber die Bild-Zeitung schuf mit ihrem Slogan „Bild dir Deine Meinung“ schon einen wichtigen Hinweis darauf, dass die Fairness es gebietet, sich erstmal eine Meinung zu bilden. Und nicht einfach etwas hinauszutragen.

Im Jahre 2016 reden wir über Snapchat. Der App-basierte Messagingdienst machte sich vor ein paar Jahren einen Namen als beliebtes Sexting-Tool unter Teenagern in den USA. So konnten sie sich Nacktfotos zuschicken, die sich nach einigen Sekunden selbst zerstören. Scheinbar zumindest, denn natürlich konnte der Empfänger ein Bildschirmfoto anfertigen. Oder ein konventionelles Foto vom Bildschirm machen.

Ohne sich grundlegend zu ändern, hat Snapchat es geschafft, sich des zweifelhaften Rufes zu entledigen. Momentan ist es stark im Trend, bei Snapchat zu sein und seine Geschichten zu teilen: Kurzvideos und skurrile Fotos. Das Ganze lebt augenscheinlich vor allem davon, schräg zu sein. Als Informationsquelle ist es nur bedingt zu gebrauchen.

Sich damit vertraut machen, lohnt trotzdem, schreibt Richard Gutjahr auf Kress.de. Und er hat recht damit. Der derzeitige Hype rechtfertigt es, dass Medienschaffende sich Snapchat einmal genauer anschauen, um zu beurteilen, wo sich viele Netznutzer derzeit tummeln. Und was sie dort treiben.

Ob sich die „Medienfuzzis“ dagegen sträuben, weil es keine Archivfunktion, keinen Aufschluss über Erfolg gibt, wie Gutjahr es behauptet, wage ich hingegen zu bezweifeln. Ich glaube, es sind eher generelle Vorbehalte gegen ungewöhnliche Neuheiten, die viele – nicht nur „Medienfuzzis“ – haben. Die gute Nachricht ist, dass Journalisten anscheinend immer noch ein Spiegel der Gesellschaft sind. Die schlechte, dass sie von Berufs wegen manches anders handhaben sollten.Einige lassen sich leichtfertig zu dem Urteil hinreißen, dass man das nicht braucht, ohne es je selbst ausprobiert zu haben. Andere hingegen sagen das begründet, weil sie wissen, wovon sie reden.

Man muss die Bild-Zeitung nicht mögen, aber es ist anzuerkennen, dass sie Erfolg hat. Und die Frage nach dem Warum ist für jeden interessierten Menschen, erst recht in den Medien, spannend. Das gleiche gilt für Snapchat. Muss man deshalb gleich Feuer und Flamme dafür sein? Nein.

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