Der „Journalist“ (das Medienmagazin des Deutschen Journalisten-Verbands) widmet sich in seiner aktuellen Ausgabe (Januar 2012) ausführlich dem Thema „Tabletjournalismus – Eine Branche steht Kopf“.
Dieser recht reißerische Titel zeichnet ein Bild, das die beiden Artikel im Inneren eher widerlegen: Weder gibt es auf Anbieterseite noch auf Konsumentenseite derzeit große Umwälzungen, die den Medienmarkt auf den Kopf stellen. Stattdessen ist das Angebot der eigens für das Tablett produzierten Zeitungen und Zeitschriften übersichtlich. Und die Bereitschaft, dafür zu zahlen, ist auf der Leserseite auch noch ausbaufähig.
Tatsächlich sind die jetzt verfügbaren digitalen Zeitungen eher Versuche – und die meisten Verlage bestreiten das in dem Artikel nicht einmal, weil es vor allem zwei Probleme gibt: Mit den Tablet-Apps lässt sich derzeit immer noch schlecht Geld verdienen, weil – das kommt in dem Artikel auch zur Sprache – die Anzeigenkunden von der Euphorie noch nicht angesteckt wurden. Und die Fragmentierung des Tablet-Marktes ist beim Aufbau des digitalen Geschäfts auch nicht gerade hilfreich. Die meisten suchen ihr Glück (aus nahe liegenden Gründen) erstmal auf dem iPad. Die zunehmende Verbreitung von Android-Tablets kann jedoch keiner ignorieren. Das macht die Produktion von Tablet-Ausgaben vermutlich noch personal- und kostenintensiver. Kein Wunder, dass Lukas Kircher, Chef der Content-Agentur KircherBurkhardt, sich im „Journalist“ traurig über die Zurückhaltung der Verlage äußert – schließlich würde er sicher gerne für sie die Apps produzieren.
Die „Rheinische Post“ ist schon einen Schritt weiter. Unter dem Namen „RP plus“ produziert sie eine wöchentliche Tablet-Zeitung, die jeden Samstag ab 14 Uhr in einer neuen Ausgabe abgerufen werden kann. „Die App-Redaktion hat es geschafft, ihre Regionalzeitung in ein Sonntagsmagazin zu verwandeln“, schreibt der „Journalist“. Grund genug, sich die App einmal genauer anzusehen.
Inhalt: Regionale Bezüge, aber überregional interessant
Da jede Woche eine neue Ausgabe erscheint, lassen sich natürlich keine allgemein gültigen Aussagen über den Inhalt treffen. Deshalb steht im folgenden eine Ausgabe im Fokus. In der Silvesterausgabe vom 31. Dezember 2011 geht es in der Titelgeschichte um „Deutschlands Städte der Zukunft“ – beschrieben wird der Trend, dass künftig zwei Drittel der Menschen in Metropolen leben werden. „RP plus“ widmet sich dabei als Regionalzeitung naheliegenderweise vor allem Düsseldorf. Es kommen aber auch Hamburg, Berlin und Köln zur Sprache. Weitere Themen kommen u.a. aus den Ressorts Sport, Digitales, Wissen, Genuss, Politik und Gesellschaft. Wie bei der Titelgeschichte gibt es hier und da regionale Bezüge. Insgesamt, so ist zumindest mein Eindruck nach Lesen dieser Ausgabe, ist die digitale Sonntagszeitung aber auch für jeden interessant, der nicht im Verbreitungsgebiet der RP wohnt.
Aussehen/Bedienbarkeit: Multimedial und trotzdem übersichtlich
Natürlich gibt es Videos, Fotoreihen und 360-Grad-Panorama-Ansichten, weil das ja alle Welt von Tablet-Apps erwartet. Alles nette Features, bei denen der Nutzer den Eindruck bekommt, selbst etwas bestimmen zu können, doch der Nutzen hängt vom Einzelfall ab. Es gibt Addons, die einen wirklichen Mehrwert darstellen, wie zum Beispiel die interaktiven Karten über die Um- und Neubauten in Düsseldorf. Es gibt aber auch Features, wie „Nordrhein-Westfalen in Zahlen“, die eher in die Schublade Spielerei gehören und nicht nachhaltig Eindruck hinterlassen.
Bei alledem ist es den Machern von „RP plus“ aber erfreulicherweise gelungen, die Übersichtlichkeit zu bewahren. Es sind banale Dinge wie der allgegenwärtige „Zurück“-Button, die erfreuen, weil sie in anderen Magazin-Apps häufig nicht zu finden sind und den Nutzer ratlos zurücklassen. Auch die Integration von Bilderstrecken ist so gelöst, dass dem Nutzer sofort deutlich wird, dass es sie gibt. Trotzdem drängen sie sich nicht auf und verschwinden dezent in den Hintergrund, wenn man stattdessen den Text lesen möchte. Die Liste der erfreulichen Punkte ließe sich noch lange fortsetzen. Unter dem Strich kann man sagen, dass sich die Macher offenbar eine Menge Gedanken über die Navigation gemacht haben – sehr zur Freude des Lesers, der so schnell und übersichtlich zum wesentlichen gelangt: Den Inhalten.
Kosten/Nutzen: Fairer Preis, Abonnenten im Glück
Die einzelne Ausgabe kostet 1,59 Euro – ein Preis, der angesichts des inhaltlichen und multimedialen Angebots angemessen erscheint. Ferner gibt es Abo-Optionen (30 Tage, 3, 6 und 12 Monate), die entsprechend günstiger ausfallen. RP-Abonnenten mit Digital-Abo bekommen „RP plus“ kostenlos dazu, was ein großes Lob verdient.
Produktion: HTML 5 mit polopoly
Auf der Seite Meinelokalewelt.de ist eine Präsentation von Sebastian Brinkmann abrufbar (http://www.meinelokalewelt.de/wp-content/uploads/RP-Plus.pdf), die interessante Informationen über Produktion und die weiteren Pläne in Bezug auf „RP plus“ enthält.
Fazit
Insgesamt zählt „RP plus“ zu den derzeit erfreulicheren Ansätzen, wie Zeitungen auf dem Tablet aussehen können. Erfreulich vor allem deshalb, weil die Inhalte im Mittelpunkt stehen und die Bedienung gut konzipiert ist.
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