Gutjahr

Immer wenn ein Hauch von Kritik an ihn heranfliegt, gibt es bei Richard Gutjahr diesen Reflex, sich selbst ganz klein und die anderen ganz groß zu machen. Die großen etablierten Medien gegen den kleinen Blogger Gutjahr. Oder die große Schar der Kollegen gegen den armen aufopferungswilligen Journalisten. Dieses Schema findet sich auch häufig in seinen Blogeinträgen oder Facebook-Posts wieder. Jüngst gab er ein Gastspiel in der Sendung „Was mit Medien“, stellte sich den Fragen des Publikums und ging genau auf die beschriebene Weise in die Defensive, als sein Tun kritisch hinterfragt wurde.

Bei den Krautreportern sorgte Gutjahr zuvor für Furore, als er in einem Artikel Apples Pressearbeit und vor allem die Kollegen der großen Medien entlarven wollte. Er selbst war natürlich bei alledem vorbildlich: Reiste im Gegensatz zu den anderen auf eigene Kosten nach Cupertino, nimmt natürlich keine Leihgeräte an, etc. Selbstredend gab es vom Publikum viel Zuspruch dafür, die gängigen Ressentiments gegen den Berufsstand der Journalisten zu bedienen. In dem Weltbild, das er da vermittelt, gibt es die raffgierigen Journalisten und Richard Gutjahr. Der Kleine gegen die Großen. Dass auf seiner Seite noch viel mehr stehen, deren Ruf es zu bewahren gilt, findet nicht statt.

Aber genau dieser Apple-Artikel ist ein anschauliches Beispiel dafür, warum der Blogger Gutjahr eine Reizfigur im deutschen Internet ist. Denn auf der positiven Seite vereint Richard Gutjahr tatsächlich viele journalistische Tugenden in seiner Person. Er legt den Finger in die Wunde, hat ein Gespür für Themen, die interessieren, und hat mit vielem recht, was er schreibt. Die Vielfalt seiner Tätigkeiten (Fernsehjournalist, Blogger, Autor) ist faszinierend und inspirierend. Und Richard ist bei alledem ein sehr sympathischer und intelligenter Gesprächspartner, wie ich selbst im wasgehtApp podcast erfahren durfte. Seinen Stil kritisch zu betrachten, schließt nicht aus, ihn als Person trotzdem zu mögen.

Die andere Seite in Richards Internet-Veröffentlichungen ist aber das hohe Maß an Selbstdarstellung und der Anschein der Besserwisserei, in die das Gute eingehüllt ist. Kein Gutjahr-Artikel ohne Gutjahr. Was bei Fotografen das Branding als Urheberrechtsvermerk ist, das ist in Richards Blogposts das Einbringen seiner eigenen Person. So wie die Geschichte, dass er der erste war, der je ein iPad kaufte, vor allem daraus bestand, dass er der Erste war, so haben eben auch seine kritischen Artikel oft den Beigeschmack, dass er sich nebenbei oder manchmal auch in der Hauptsache selbst in Szene setzen möchte.

Es löst beim Leser Bewunderung und Befremden zugleich aus, dass jemand sich selbst so schonungslos selbst zur Marke macht, dass er sein Konterfei als Briefmarke auf Neujahrsgrußkarten klebt. Seine Antwort auf Pegida ist der Slogan „Lügenblogger“ – das G ist dabei natürlich sein Logo, das optisch deutlich in Szene gesetzt wird. Aktuell klagt Richard sein Leid, was er als Blogger alles ertragen muss. Dabei sind eben jene Vorwürfe, die er da zitiert, der Treibstoff, mit dem sein Blog so gut funktioniert. Ohne Vorbehalte gegen Blogger und große Medien, die die neuen Medien nicht ernstnehmen, bräuchte es Gutjahrs Blog nach seinem Selbstverständnis gar nicht.

In der Ausbildung zum Journalisten lernt man, dass das Ich in Artikeln eigentlich die Ausnahme bleiben sollte. Ja, es gibt manchmal gute Gründe, sich selbst ins Spiel zu bringen. Aber es gibt meist noch viel bessere Gründe, es zu lassen, wenn es eben nicht unbedingt nötig ist.

Richard hat seine Gründe, sich immer wieder selbst in den Fokus seiner Kamera zu rücken. Das Ich ist sein treuer Gefährte. Und er ist damit unglaublich erfolgreich. Nötig hat er es aber eigentlich nicht.

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